07. Oktober 2020

Stefanie Kischel / Über Kunst aus Tüll, Nähtipps auf YouTube und strenge Mütter

Von wegen im digitalen Zeitalter sitzen in den Agenturen alle nur vorm Bildschirm. Unsere Kollegin Stefanie Kischel verbringt ihre Arbeitszeit gerade vor allem an der Nähmaschine. Sie ist als Künstlerin für die Sparkasse Bremen tätig.



Stefanie, dein Arbeitsschwerpunkt ist eigentlich Grafikdesign. Wie kommt es, dass du im Moment in der GfG jeden Tag an der Nähmaschine sitzt?

Möglich macht das ein Projekt für die Sparkasse Bremen: Für das neue Verwaltungsgebäude am Uni Campus dürfen wir eine Serie von Wandbildern zu verschiedenen Themen und aus unterschiedlichen Materialien gestalten und mit Künstler*innen umsetzen. Eines dieser Bilder wird komplett aus Stoffen modelliert, daher mein Einsatz an der Nähmaschine.

Du bist Künstlerin?

Das ist manchmal ein schmaler Grat: Als Designerin bewege ich mich im Rahmen von Corporate Designs und mit klarem kommunikativen, meist auch vertrieblichem Auftrag. Daneben verstehe ich mich auch als Künstlerin, wenn meine ganz spezielle kreative Handschrift für eine frei formulierte Aufgabe gefragt ist. Und da Stoff mein Medium ist und die Aufgabe hier frei war, fühle ich mich als Künstlerin.

Das legt die Frage nahe, an was für einem Motiv du arbeitest.

Das Thema ist Hafen, Wasser und Wellen – das ist ja durch die Weser und die Nähe zur Nordseeküste eng mit Bremen verknüpft. Es thematisiert die Verbundenheit der Sparkasse mit der maritimen Wirtschaft. Ich nähere mich mit meiner Kreation diesem Thema eher abstrakt, rücke die vielschichtige, schillernde Wasseroberfläche in den Fokus und versuche, Reflexionen, Spiegelungen und Bewegungen, die etwa durch einfallendes Licht oder durchfahrende Schiffe entstehen, einzufangen. Und das alles mit einem auf den ersten Blick untypischen Material, nämlich Stoff.

Wie setzt du das gestalterisch um?

Um die verschiedenen Facetten und Schichten der bewegten Wasseroberfläche einzufangen, verwende ich eine spezielle, relativ aufwändige Rüschentechnik mit etlichen Lagen Tüll, wie sie eigentlich für Ballettkostüme oder üppige Ballkleider verwendet wird. Die Idee dazu ist mir ursprünglich durch ein YouTube-Video gekommen, in dem eine Frau zeigt, wie sie für ihre Tochter ein Ballkleid komplett aus Rüschen näht. Sie hat dafür den Tüllstoff in Kringelform zugeschnitten, wodurch er sich schon von alleine in Wellenform verzieht. Diese Technik ist für mein Motiv ideal.

Es ist aber natürlich schon etwas anderes, ob du ein Kleid nähst oder ein großes Wandbild mit zig unterschiedlichen Ebenen. Bevor ich anfangen konnte, habe ich zunächst ein detailliertes Muster für das Bild vorgezeichnet, alles in kleine Abschnitte unterteilt und definiert, wo welche Farben verwendet werden. Um die gewünschte Dichte und unterschiedliche Tiefen zu erreichen, muss ich sehr kleinteilig vorgehen. Am Ende werden es fast 100 Meter Stoff und unzählige einzelne Tüllstücke in unterschiedlichen Größen sein, die sich zu einem Gesamtkunstwerk zusammensetzen.

Was ist für dich die größte Herausforderung an diesem Job?

Tatsächlich ist das Ganze körperlich eine ziemliche Herausforderung. Über Wochen jeden Tag mehrere Stunden an der Nähmaschine zu sitzen, das geht ganz schön auf den Rücken. Hut ab vor den Leuten, die das hauptberuflich leisten.

Und was ist das größte Highlight?

Das ist wahrscheinlich die Machart. Diese Technik ist ja eigentlich dafür gedacht, Tutus zu nähen oder bauschige Kleider. Das so zweckzuentfremden und daraus Kunst zu machen, finde ich ziemlich cool.

Wo hast du eigentlich so gut Nähen gelernt?

Meine Mutter ist gelernte Schneiderin und hat mir schon in meiner Jugend das Nähen beigebracht. Das war gerade anfangs ganz schön frustrierend, weil meine Mutter sehr streng ist, was ihr Handwerk angeht, und sie mir das nur unter der Bedingung beigebracht hat, dass ich es auch vernünftig lerne. Krumme Nähte oder schiefe Säume ließ sie mir nicht durchgehen, ich musste also die Sachen oft wieder auftrennen und nochmal neu nähen. Am Ende sahen die Sachen natürlich großartig aus, aber der Weg dahin war manchmal echt zum Verzweifeln.

Hast du ein persönliches Traum-Nähprojekt, etwas, das du unbedingt einmal nähen möchtest?

Eigentlich nicht. In meiner Freizeit nähe ich vor allem Kostüme, die Ideen und Inspirationen dazu kommen mir meist spontan: Mir begegnet etwas im Internet, in einer Serie oder einem Buch, und ich stelle es mir direkt vor und will es dann auch möglichst bald nähen.

Nun nähert sich das Projekt dem Ende, das Werk wird bald fertig sein. Was für ein Gefühl ist das?

Dann hängt mein Bild in diesem großen neuen Gebäude der Sparkasse. Das ist schon aufregend. Ich bin sehr gespannt, wie es den Leuten dort gefällt.


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