Die GfG-Mediengestalter Sacid Sezgin (links) und Dustin Schröder (Mitte) mit Prof. Dr. Sabine Doff von der Universität Bremen, einer der Initiator:innen der aktuellen Veranstaltungsreihe zu Bildungsgerechtigkeit in Bremen.

26. Januar 2023

Der Kinderstuhl am Rednerpult

Unsere (ehemaligen) Auszubildenden Dustin, Sacid und Hanna waren eingeladen, in der Bremer Handelskammer zum Thema Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit mitzudiskutieren. Eine tolle Gelegenheit, die sie aber nicht ganz so nutzen konnten wie erhofft. Der Bericht über einen Abend, der gemischte Gefühle hinterlassen hat.



Von Dustin Schröder

„Wie schaffen wir es, die Interessen von Schulabsolvent:innen und die des Arbeitsmarktes gerecht miteinander in Einklang zu bringen?“

Dies war die zentrale Frage, zu deren Diskussion die Initiative „Weitwinkel Bildung“ gemeinsam mit einem Lehrkräftebildungsprojekt der Uni Bremen in die Industrie- und Handelskammer eingeladen hatte.

Wir freuen uns, dass unsere Perspektive berücksichtigt wird

Zu den Gästen gehörten Vertreter:innen aus der Politik, Forschung, Bildung und aus Bremer Betrieben, Und da man nicht nur über Auszubildende und Schulabsolvent:innen reden wollte, sondern auch mit ihnen, waren wir ebenfalls dazu eingeladen, an der Veranstaltung teilzunehmen. Wir, das sind Hanna Marie Stier, Sacid Sezgin und ich, Dustin Schröder.

Jeder von uns Dreien hat eine andere Perspektive auf das Thema Ausbildung und andere Erfahrungen gemacht, die wir gerne in die Diskussion einfließen lassen wollten.

Die Bildungsforschung zeichnete ein eher trauriges Bild

Der Abend startete mit einem Vortrag der Bildungsforscherin Dr. Maria Richter vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI), in dem erstmal auf die Zahlen und Statistiken geschaut wurde. Daraus ging hervor, dass die Chancengleichheit eine große Herausforderung im Bereich Ausbildung und Berufsbildung ist.

Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit niedrigerem Bildungsabschluss haben es deutlich schwerer, Ausbildungsplätze zu bekommen und zu behalten. Die bisher angebotenen Programme und Maßnahmen zur Verbesserung dieser Situation scheinen auch nicht zu wirken: Obwohl dort jedes Jahr mehr Geld hineingesteckt wird, verschlechtert sich die Situation stetig.

Der Blick ging oft nicht über den eigenen Horizont hinaus

Dann waren die Vertreter:innen aus Schulen und Betrieben mit mehreren kleinen Vorträgen an der Reihe und schilderten jeweils, mit welchen Hürden sie zu kämpfen haben und welche konkreten Maßnahmen sie für einen besseren Übergang von Schule zur Ausbildung ergreifen. Dabei versuchten sie auch, sich einen Reim auf die Zahlen aus der Forschung zu machen.

Das passierte teilweise sehr selbstkritisch, teils aber auch mit einer eher beschränkten Perspektive, die über den eigenen Horizont nicht weit hinausging. „Wir machen das so, und das klappt bei uns super“ hieß es da. Die allgemeine Situation und die Frage, wie das mit den traurigen Statistiken zusammenpasst, wurde ausgeblendet.

Das ist ein bisschen so, als wenn ich mich vorne hingestellt und so getan hätte, als gäbe es keine Probleme und Hürden, weil ich persönlich meine Ausbildung ja erfolgreich abgeschlossen habe.

Wir konnten Dampf ablassen – aber nur ein bisschen

Schließlich durften wir Auszubildenen und ehemaligen Auszubildenden selbst zu Wort kommen. Neben Hanna, Sacid und mir war noch Leonardo Laudan mit von der Partie, der eine Ausbildung in der IT-Branche absolviert hat.

Mit den Impulsen aus den vorangegangenen Vorträgen stellte uns Moderator Jan-Martin Wiarda der Reihe nach Fragen. Es war sehr erfrischend, die Aufmerksamkeit des Raumes zu haben, während man seine Sicht auf ein Thema erklären kann, das einen so lange umgetrieben hat. Während meiner Ausbildung hatte ich viel zu meckern – jetzt konnte ich den Dampf ein bisschen ablassen. Aber auch nur ein bisschen. Denn leider reichte die Zeit nicht für alle wichtigen Punkte.

In der Abschlussrunde hatten wir keine Stimme

Der letzte Programmpunkt war einer Abschlussrunde mit Vertreter:innen aus allen Bereichen, um die bisher genannten Punkte und Impulse zu diskutieren. Mit allen bis auf uns Auszubildenden. Und hier kommen wir auch zum bitteren Nachgeschmack, den diese Veranstaltung bei mir bzw. bei uns hinterlassen hat. Es fühlte sich an diesem Abend an, als hätte man uns zwar mit an den „Erwachsenen-Tisch“ geholt, aber sitzen durften wir nur auf einem Kinderstuhl.

Die Entscheidung, die Abschlussdiskussion ohne uns zu führen, wurde damit begründet, dass wir zu viert gewesen wären und es für uns vorne nicht genug Platz gegeben hätte. Dabei wäre es für alle aus unserer Vierer-Runde total in Ordnung gewesen, wenn wir uns für eine:n von uns hätten entscheiden müssen. Damit hätten wir zumindest eine Stimme gehabt, die uns vertritt.

Etwas Positives bleibt dennoch

Nichtsdestotrotz hat es mir gefallen, dass ich mich für die begrenzte Zeit einbringen konnte. Und auch die unterschiedlichen Perspektiven von Hanna, die gerade erst im Sommer mit ihrer Ausbildung gestartet hat, und Sacid, der wie ich schon fertig ist mit der Ausbildung, aber einen völlig anderen Werdegang und die Ausbildung auch anderes wahrgenommen hat als ich, haben die Runde ungemein bereichert.

Als Fazit muss ich sagen, dass Veranstaltungen wie diese trotzdem ziemlich wichtig sind und wir auch sehr dankbar über die Einladung waren. Vor allem an den Zahlen aus der Forschung sieht man deutlich, dass die Bildung bzw. konkret die Berufsbildung in allen Bereichen auf dem absteigenden Ast hängt und de facto keine Chancengleichheit existiert. Darüber muss geredet werden und es muss etwas passieren, das ist sicher.

Fortsetzung folgt

Dies war nur die erste von vier Veranstaltungen, die sich mit dem Oberthema Bildungsgerechtigkeit und Berufsbildung auseinandersetzen. Ich spiele mit dem Gedanken, mich auch bei der nächsten Runde im Februar einzubringen zu der Frage „Bildungsgerechtigkeit vor und nach Corona: Was zählt jetzt und welche konkreten Schritte folgen daraus?“.

Unser Feedback ist jedenfalls auf offene Ohren gestoßen, und so stehen die Chancen gut, dass wir beim nächsten Mal stärker eingebunden werden, statt nur dabei zu sein.

An dieser Stelle nochmal ein großes Danke an Sabine Doff von der Universität Bremen, die uns die Möglichkeit gegeben hat, uns an diesem Abend einzubringen. Und die jetzt auch im Nachgang der Auftaktveranstaltung offen und konstruktiv auf unsere Anliegen eingegangen ist.

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Fortsetzung der Veranstaltungsreihe
Bildungsgerechtigkeit: Anspruch und Wirklichkeit (2/4)

22. Februar – 18:30 - 20:00

Handelskammer Bremen Am Markt 13, Bremen

Themenabend 2/4: "Bildungsgerechtigkeit und/nach Corona: Was zählt jetzt und welche konkreten Schritte folgen daraus?" mit Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, Berlin.

Mehr Infos unter: https://www.weitwinkel-bildung.de/veranstaltungen/bildungsgerechtigkeit-2/



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