Drei der Macher:innen hinter dem SoundLab: Anja Wübben (l.) und Sara Broda (r.) von der „Innovativen Hochschule Jade-Oldenburg!“ und Designerin Tanja Büsching von der GfG.

11. November 2022

Lernen mal anders: Das SoundLab

Ausprobieren, Forschen und vor allem Selbermachen – das SoundLab ist eine Lerneinheit zum Thema Hörsinn, die wenig mit Frontalunterricht zu tun hat. Das macht Schüler:innen und Lehrer:innen gleichermaßen Spaß. Anja Wübben und Sara Broda von der Universität Oldenburg im Projekt "Innovative Hochschule Jade-Oldenburg!" und Tanja Büsching von der GfG stellen das SoundLab vor.



Anja und Sara, erzählt mal: Wie seid ihr auf die Idee für das SoundLab gekommen?

Sara Broda: Wir arbeiten für die „Innovative Hochschule Jade-Oldenburg!", ein Verbundprojekt der Universität Oldenburg mit der Jade Hochschule und dem OFFIS – Institut für Informatik. Dieses Projekt fördert den Austausch zwischen Hochschule und Gesellschaft auf verschiedenen Ebenen. Die Aufgabe unseres Teams SchülerWissen ist, die Themen der Hochschulen an Schulen und Bildungseinrichtungen zu tragen und Forschung dort erlebbar zu machen.

Anja Wübben: Und zur Hörforschung gibt es an der Universität Oldenburg den international bekannten Exzellenzcluster „Hearing4All“. Dort werden verschiedene Hörbeeinträchtigungen erforscht und spezielle  Hörhilfen entwickelt, um das „Hören für alle“ Menschen zu ermöglichen. Gleichzeitig steht das Thema Sinne auf dem Lehrplan der Schulen, allerdings kommt der Hörsinn dort oft zu kurz. Deswegen ist die Idee entstanden, ein All-Inclusive-Paket für Lehrer:innen zu schaffen, mit dem sie wichtige Erkenntnisse aus der Hörforschung ohne viel Aufwand und spannend vermitteln können, mit praktischen Materialien und Experimenten. Diese ersten Ideen haben wir dann zusammen mit der GfG auf Herz und Nieren geprüft und sie weiter in Form und in konkrete Themenblöcke und Inhalte gegossen.

Wir wollten ein All-Inclusive-Paket für Lehrer:innen

Anja Wübben ((Referentin für den Wissenstransfer an Schulen in dem Verbundprojekt „Innovative Hochschule Jade-Oldenburg!“)

Das Motto des SoundLab lautet „Mit den Ohren sehen“ – wie ist das zu verstehen?

Anja Wübben: Anders als viele Exponate in der Wissenschaftskommunikation ist das SoundLab nicht visuell orientiert, sondern arbeitet vor allem mit Hörerlebnissen. Dafür erhält jede:r Schüler:in gleich zu Beginn einen MP3-Player mit Kopfhörern.

Fotos: Mona Freiberg / Jade Hochschule

Tanja Büsching: Für den Einstieg in den Unterricht haben wir uns eine akustische Reise ausgedacht: Die Schüler:innen hören über Kopfhörer eine Geschichte, die aus Geräuschen und Klängen besteht. Sie begleiten einen Schüler, der morgens aufwacht, sich für die Schule fertig macht und zur Schule geht, alles anhand von Geräuschen wie einem Weckerklingeln, der zugeschlagenen Haustür oder der Schulglocke. Irgendwann kriegt die Reise eine Wendung: Man hört, wie ein Schlüssel in den Gulli fällt, Wasser tropft, und dann taucht man ab und ist eine Zeitlang auf einer Art Fantasiereise, die schließlich auf einer Insel bei einem Musikfestival endet, dem Ausgangspunkt für die weiteren Aufgaben. Alle Bilder, die die Schüler:innen auf dieser Reise erschaffen, alle Dinge, die sie erleben, entstehen aus dem Hören – deshalb auch „Mit den Ohren sehen“.

Anja Wübben: In der Regel schließen die Schüler:innen während der Hörreise ihre Augen – sie lassen sich komplett auf den Hörsinn ein. Dies schafft einen besonderen und emotionalen Zugang.

Was dann folgt, unterscheidet sich ja auch sehr vom Frontalunterricht, oder?

Sara Broda: Absolut. Der Grundgedanke ist, dass die Schüler:innen ganz viel selbst ausprobieren und erforschen können. Nach der Hörreise teilen sie sich in Teams auf und jedes Team erhält eine eigene Experimentierbox zu einem unserer vier Kernthemen: Schall, Ohraufbau, Gehirn und Hörschädigung. Damit können sie direkt loslegen, ohne dass sie sich vorher viel anlesen müssen. Jede Box enthält verschiedene Experimente und als letzte Aufgabe eine Challenge, in der es darum geht, das eigene Thema den anderen Teams zu vermitteln. Uns war wichtig, dass es abwechslungsreich ist, aber auch, dass die Challenges möglichst nah am Alltag der Schüler:innen dran sind.

 

Fotos: Anja Wübben / Universität Oldenburg
Foto: Mona Freiberg / Jade Hochschule

Hast du dafür ein Beispiel?

Sara Broda: Beim Thema Hörschädigung etwa bekommen sie die Aufgabe, einen Instagram-Beitrag zu entwerfen, in dem sie das Gelernte verarbeiten und den anderen präsentieren. Und das ist wirklich toll, wie kreativ sie werden und wie gut sie das hinbekommen, einfach weil sie in ihrem Alltag mit sozialen Medien vertraut sind. Dass das SoundLab mit iPads ausgestattet ist und die Schüler:innen viel darüber steuern können, trägt zusätzlich dazu bei, dass sie sich gerne damit beschäftigen.

Die Challenges sind nah am Alltag der Schüler:innen dran.

Sara Broda (Referentin für Wissenstransfer an außerschulische Lernorte in dem Verbundprojekt „Innovative Hochschule Jade-Oldenburg!“)

Anja Wübben: Insgesamt war es uns ein Anliegen,  dass neben praktischen Experimenten auch häufig digitale Medien zum Einsatz kommen.Beim Thema Schall zum Beispiel können die Schüler:innen mithilfe einer App auf dem iPad verschiedene Arten von Schall zuordnen. Sie erzeugen Geräusche – lassen Papier knistern, einen Luftballon platzen oder spielen Töne mit einer Kalimba – und die App stellt diese in einem Oszillogramm dar. Anhand der Schwingungskurven lernen sie, dass es ganz unterschiedliche Arten von Schall gibt.

Fotos: Mona Freiberg / Jade Hochschule

Es gibt aber natürlich auch Aufgaben losgelöst von den iPads. Ebenfalls beim Thema Schall nutzen die Schüler:innen eine Wasserwanne, in die sie mit einer oder später auch zwei Pipetten Wasser tropfen, um zu verstehen, dass Schall sich in alle Richtungen ausbreitet oder sich durch Überlagerung auch verstärken oder auslöschen kann. Zu dem Thema verwenden wir auch noch die sogenannten Chladni-Platten: Das sind dünne Metallplatten, die die Schüler:innen an einen Verstärker anschließen, mit feinen Mohnkörnern bestreuen und dann in Schwingungen versetzen. Die Körner bilden unterschiedliche Muster, je nachdem, welche Frequenz der Ton hat. Das ist immer ziemlich eindrucksvoll und kommt bei den Schüler:innen gut an.

Und wie kommt das SoundLab bei den Lehrer:innen an?

Anja Wübben: Wir haben in der Testphase von vielen Lehrer:innen zurückgemeldet bekommen, dass sie ihre Schüler:innen ganz anders wahrgenommen haben: Viele, die sich sonst nicht so stark am Unterricht beteiligen, waren beim SoundLab auf einmal richtig aktiv und mit Spaß dabei. Die Lehrer:innen waren eigentlich alle dankbar, dass sie ein Thema aus ihrem Curriculum mal so abwechslungsreich gestalten konnten.

 

Fotos: Mona Freiberg / Jade Hochschule

Sara Broda: Außerdem ist es für sie eine große Entlastung, dass die Schüler:innen alle Experimente selbstständig durchführen können, ohne dass sie angeleitet werden müssen. Und selbst die Einführung in das SoundLab können sie, wenn sie das möchten, einfach per Video präsentieren. Dafür haben wir einen kurzen Einführungsfilm produziert.

Tanja, wie war es auf Seiten der GfG, das SoundLab zu begleiten – das war ja für euch ein nicht ganz alltägliches Projekt?

Tanja Büsching: Das stimmt, die Arbeit an den Experimentierboxen war schon anders als etwa an einer Ausstellung. Ich muss sagen, dass ich dadurch selbst sehr viel Neues gelernt habe. Wir sind sehr stark in die Inhalte eingetaucht, damit wir beurteilen können, ob das alles für Schüler:innen verständlich und passend ist. Mich hat das Thema von Anfang an sehr interessiert, auch weil ich ein Kind mit Cochlea-Implantat in meinem Freundeskreis habe. Da war es toll, dass wir so in die Tiefe gehen und alles aus Perspektive der Schüler:innen betrachten konnten. Und die Vielfalt war natürlich spannend, es ging ja um ganz unterschiedliche Dinge: Sounds, haptische Materialien und Informationen. Und natürlich auch um die Gestaltung des Ganzen.

Es war toll, so tief in ein Thema einzutauchen

Tanja Büsching (Designerin bei der GfG)

Neben dem GfG-Team war auch der Exzellenzcluster stark an der Entwicklung beteiligt – wie sah das konkret aus?

Anja Wübben: Wir haben uns von Anfang an und bei allen Schritten mit der Hörforschung rückgekoppelt. Zum einen, um herauszufinden, ob unsere Ideen Sinn machen. Zum anderen, um an aktuelles Wissen und Materialien für unsere Experimente zu kommen. Die Forscher:innen haben uns zum Beispiel Tracks aufgenommen, die das Hören mit Cochlea-Implantat simulieren oder das Hören mit einer Hochton- oder Tieftonminderung. Und natürlich ging es auch darum, dass wir sicherstellen, dass wir wissenschaftlich korrekt sind. Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier aus der Leitung des Exzellenzclusters hat alle Inhalte und Texte überprüft, bevor es an das Testen in den Schulklassen ging.

Nach einer erfolgreichen Testphase und den letzten Anpassungen ist das SoundLab jetzt bereit für den Einsatz. Was wünscht ihr euch, was sollen Schüler:innen aus der Lerneinheit mitnehmen?

Anja Wübben: Zum einen die wichtigen Dinge, die in den meisten Schulbüchern gar nicht vorhanden sind: Kenntnisse aus der aktuellen Hörforschung und das Verständnis, wie Hören überhaupt funktioniert – dass Hören im Gehirn stattfindet und deswegen auch so stark mit unseren Emotionen verbunden ist. Und natürlich wollen wir sie für das Thema Hörschädigung sensibilisieren.

Sara Broda: Prävention ist auf jeden Fall ein Anliegen – sie sollen spielerisch lernen, wie sie das eigene Gehör schützen können. Und wichtig finde ich auch die vielen Softskills, die das SoundLab fördert: das Ausprobieren, Präsentieren, die Arbeit in der Gruppe und die Medienkompetenz. Sie bekommen da wirklich ein gutes Paket.

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Das SoundLab – eine mobile Lerneinheit über den Hörsinn

Das SoundLab eignet sich für den Unterricht in den Klassen 7 bis 10 mit bis zu 30 Schüler:innen.

Dauer: ca. 180 Minuten (zwei Doppelstunden)

Lehrer:innen und Bildungsmultiplikator:innen können sich das SoundLab kostenlos für 1 bis 2 Wochen ausleihen.

 

Weiteres Hintergrundwissen und alle Informationen zur Ausleihe gibt es auf der Website des Projekts „Innovative Hochschule Jade-Oldenburg!“:

https://ihjo.de/soundlab/

 



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