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Bildung und Forschung

Müssen Ausstellungen und Museen politischer sein?

28. Januar 2020

Impressionen vom zwanzigsten Szenografie-Kolloquium der DASA. 

Protestschilder begleiten die Besucher*innen auf ihrem Weg in den Vortragsraum, Geldscheine wehen durch die Luft, ein Demonstrationszug mischt die Kaffeepause auf und dann eröffnet da auch noch der geheime Markt: Eine Tüte Wahrheit – 400.000 Schwarzmark bitte! Richtig schön laut und voller starker Aktionen ist dieser zwanzigste Szenografie-Kongress in der alten Energiehalle der DASA in Dortmund. Das passt zum Thema: „Politics”.

Mittendrin die GfG-Mitarbeiterinnen Marthe Trottnow und Katrin Johnsen. Aus gutem Grund, denn auch wir als Ausstellungsentwickler*innen stellen uns die Frage: Wie politisch dürfen oder müssen Museen und Ausstellungshäuser sein? Welche Botschaften können sie – differenziert und ehrlich – in eine Gesellschaft tragen, die durstig ist nach Orientierung? Und ab wann sind Ausstellungen überhaupt politisch? „Alle gesellschaftlich relevanten Themen”, so schlägt Christina Haak, Stellvertretende Generaldirektorin der Staatlichen Museen zu Berlin als Definition vor, „sind per se auch politisch.” Sie seien dazu geeignet, die Einmischung der Bürger*innen im besten demokratischen Sinne herauszufordern – nur das müsse man sich eben auch trauen.

Wie Museen für Einmischung sorgen

Eine Organisation, die sich getraut und für Einmischung gesorgt hat, ist das Badische Landesmuseum Karlsruhe. Museumsdirektor Prof. Dr. Köhne berichtet offen über die in seinem Hause inszenierte Sonderausstellung: „Revolution! Für Anfänger*innen”. Dazu war in den altehrwürdigen Sälen des Karlsruher Schlosses eine Barrikadenlandschaft aus Schutt errichtet worden, auf dem Schlossturm wehte die rote Fahne. Ein Umgang mit dem Thema, der stark polarisierte: Das traditionell orientierte Museumspublikum war geschockt, während andere, jüngere Zielgruppen neu erschlossen werden konnten.

Ein weiteres Beispiel stellt Sven Klomp, Agentur Impuls-Design Hamburg, aus dem Flensburger Schifffahrtsmuseum vor. Die Ausstellung „Rum, Schweiß und Tränen” rückt die Schattenseite des Westindienhandels in den Blick – die Sklaverei – und zwar vor allem aus afro-karibischer Perspektive. Unser gewohnter Blick auf die Geschichte wird so aufgebrochen, der romantisierten Darstellung des Rumhandels in der Karibik das Leid und die Ausbeutung der versklavten Menschen in den Kolonien gegenübergestellt. „Embodiment” lautet die szenografische Vermittlungsstrategie der jamaikanischen Co-Kuratorin Dr. Imani Tafari-Ama, bei der die Besucher*innen den Schmerz der versklavten Menschen fast physisch nachempfinden können.

Ausstellende müssen die eigene Haltung klären

Unser Fazit: Museen sind sehr wohl Orte für einen gesellschaftspolitischen Diskurs. Dabei ist aus Sicht der Häuser zuerst die Frage der eigenen Haltung zu klären: Kann das eigene Team bei polarisierenden Themen auch Kritik aushalten und adäquat Position beziehen? Auch die Frage, wie Menschen eingebunden werden, wie man sie zur Einmischung bewegen kann, spielt eine wichtige Rolle. Wie früh, wie laut, wie provozierend, mit welchen Vermittlungstools geht man auf sie zu?

Aktuell sammeln wir in der GfG durch die Ausstellung und Aktionsplattform DER MOBILE MENSCH wertvolle Erfahrungen dazu, wie Beteiligung funktionieren kann. Was wir schon jetzt sagen können: Beteiligung ist aufwändig, erfordert ein realistisches Budget, einen langen Atem – und sie lohnt sich!