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Stadtentwicklung

Interview

„Stadtentwicklungspläne müssen verständlich sein und Spaß machen“

27. April 2022

Stadtentwicklung im Tandem: Gemeinsam mit dem Team von BPW arbeiten wir an einem Stadtentwicklungsprogramm für Osnabrück. Wir wollten von Projektkoordinatorin Charlotte Herbst wissen, warum sich die Kompetenzen von BPW und GfG so gut ergänzen und was die Stadt Osnabrück und ihre Bewohner:innen von dieser Zusammenarbeit erwarten dürfen.

Hallo Charlotte, wir entwickeln gemeinsam das Stadtentwicklungsprogramm für Osnabrück: Ihr von BPW kümmert euch um die Analyse, die Planung und um die Beteiligung der Öffentlichkeit. Wir von der GfG steuern das visuelle Erscheinungsbild bei. Beobachten wir das richtig, dass in den letzten Jahren die Kommunikation und damit auch das Design für Stadtplanungsprozesse wichtiger geworden ist?

Charlotte: Ja, denn zum einen sind wir alle bildhafter geworden und über Bilder oft besser zu erreichen. Und zum anderen denke ich, dass heute mehr Menschen ein Interesse an Stadtentwicklung haben. Wenn man sich ältere Pläne und Berichte anschaut, sind das oft sehr dröge Textwüsten, weil sie in der Regel im verschlossenen Kämmerlein entstanden sind. Inzwischen gibt es das gesellschaftliche Bedürfnis und den politischen Willen, dass Menschen an Stadtentwicklung beteiligt werden – und da müssen die Stadtverwaltungen natürlich etwas tun, um herauszustechen und aufzufallen. Die Pläne werden mittlerweile bewusst in die Öffentlichkeit getragen und nicht nur in die Fachabteilungen der Verwaltungen. Das heißt, sie müssen verständlich sein und es muss Spaß machen, sie zu lesen. Deswegen kann man klar sagen, dass Design und Gestaltung für unsere Arbeit sehr wichtig geworden sind.

Für das Stadtentwicklungsprogramm Osnabrück wurde eine eigene Wort-Bild-Marke entwickelt. Magst du mal beschreiben, wie dieses professionelle Branding eure Arbeit unterstützt?

Charlotte: Zum einen durch die Wiedererkennbarkeit. Indem wir diesem zwei Jahre dauernden Prozess eine eigene visuelle Identität verleihen und einen Hingucker daraus machen, prägen wir die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und machen es den Menschen leicht, das Stadtentwicklungsprogramm zu erkennen und zu begleiten. Das ist gerade bei den vielen öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen, die wir planen, eine wichtige Unterstützung. Außerdem hat der von euch entwickelte Slogan „Erkennen. Erhalten. Entwickeln.“ auch für uns selbst noch mal Klarheit gebracht. Das hat sich für uns wie eine Art Coaching angefühlt, dass uns jemand auf den Zahn fühlt, was genau wir machen, und das dann in einfache Worte verpackt, die eingängiger sind als unsere Fachbegriffe. Das schafft eine weitere Brücke in Richtung Öffentlichkeit.

Ihr seid gerade schon mittendrin in der Beteiligung der Öffentlichkeit. Wie geht ihr vor, damit die Menschen in Osnabrück über die Gestaltung ihrer Stadt mitreden können?

Charlotte: Gerade machen wir eine große Online-Befragung, in der wir die Menschen in Osnabrück als Alltagsexpert:innen einbinden. Wir wollen von ihnen wissen, wie sie in ihrer Stadt und in ihrem Stadtteil leben, wie zufrieden sie mit ihrer Wohnsituation und den Angeboten vor Ort sind, wie sie ihre Mobilität gestalten und was sie sich für die Zukunft wünschen. Als weiteren Schritt wollen wir im Juni einen Jugend-Workshop gemeinsam mit dem Jugendparlament der Stadt machen. Außerdem gehen wir auch ins Umland und sprechen mit den Bürgermeister:innen und Planenden der angrenzenden Gemeinden. Nach dem Sommer wird es in einen analogen Stadtdialog gehen, da werden wir erste Ideen und Handlungsfelder vorstellen und uns von der Öffentlichkeit ein Feedback dafür einholen. Dafür wollen wir zum Beispiel auf einem Stadtteppich zusammenkommen: Wir drucken ein großes Luftbild der Stadt auf einer Plane aus, auf der verschiedene Akteure der Stadt miteinander ins Gespräch kommen und ihre Ideen für die nächsten Jahre festhalten können.

Insgesamt dauert die Entwicklung des Programms zwei Jahre – was erhofft sich Osnabrück von diesem Prozess?

Charlotte: Im Grunde genommen geht es darum, eine gemeinsame Vorstellung zu entwickeln, mit welchen Prämissen in den kommenden Jahren geplant werden soll. Man kann so ein gesamtstädtisches Projekt vielleicht mit einem renovierungsbedürftigen Haus vergleichen, bei dem es verschiedene Baustellen gibt, die man aber wegen begrenzter Mittel nicht alle gleichzeitig angehen kann. Da muss man dann schauen, welche Baustellen sind am dringendsten – muss ich mich erst ums Dach kümmern, ums Wohnzimmer oder um den Garten? Und wie soll die Renovierung angegangen werden, also ist es uns etwa wichtig, ressourcenschonend zu arbeiten? 

Übertragen auf Osnabrück bedeutet das vor allem, dass man auch die bereits bestehenden Pläne übereinanderlegt – es gibt zum Beispiel schon ein Märkte- und Zentren-Konzept, einen Masterplan Mobilität, Pläne für einen Radverkehrsschnellweg und für den Metrobus-Netzausbau. Es wurde auch sehr viel Baurecht geschaffen, um neue Gebäude zu bauen. Aber das jetzt mal in der Gesamtheit zu betrachten und zu schauen, wo genau die Reise in Zukunft hingehen soll und mit welchen Etappen, das ist die Herausforderung. Zumal es angesichts der begrenzten verfügbaren Flächen natürlich Konflikte gibt – auch das ist unsere Aufgabe, diese Konflikte aufzuzeigen und in die Überlegungen einzubeziehen.

Macht ihr der Stadt auch konkrete Vorschläge für Maßnahmen?

Charlotte: Wir machen Analysen für verschiedene Bereiche, etwa den Wohnungsbedarf in der Stadt, und wir entwickeln ein Leitmotiv für die Planung: erkennen, erhalten, entwickeln und klimagerechte Stadtentwicklung vorrangig in den Bestandsquartieren. Darauf aufbauend formulieren wir Ziele und Handlungsbedarfe, und die werden dann schon etwas konkreter. Wir zeigen noch mal auf, welche Instrumente es gibt, und binden auch die bereits laufenden Projekte der Stadt mit ein. Am Ende wollen wir gemeinsam eine Art programmatischen Ansatz festlegen: In welchen Bereichen sind Veränderungen am dringendsten nötig und welche Projekte sollen in den kommenden fünf Jahren als Erstes angegangen werden?

Viele Kommunen haben in den letzten Jahren vermehrt Expert:innen für den Bereich Stadtentwicklung eingestellt. Externe Berater:innen wie das Team der BPW Stadtplanung sind aber nach wie vor sehr gefragt. Was könnt ihr, was die Kommunen selbst nicht können?

Charlotte: Viele Kommunen, die wir begleiten, machen zum ersten Mal ein Stadtentwicklungsprogramm oder ein gesamtstädtisches Projekt. Wir hingegen haben schon viele solcher Prozesse begleitet und bringen einen großen Erfahrungsschatz mit, aus dem die Stadt schöpfen kann. Als Externe haben wir zudem einen anderen Blickwinkel und können die Dinge von außen betrachten und unvoreingenommen angehen. Außerdem wird Planung immer komplexer, es sind so viele Aspekte zu berücksichtigen, und angesichts der begrenzten Flächen in den Städten prallen so viele Ansprüche aufeinander, da braucht es viele Ideen und viel Manpower. Die meisten Stadtverwaltungen haben nicht genügend Ressourcen, um neben ihrem Tagesgeschäft noch ein umfangreiches Stadtentwicklungsprogramm aufzustellen. Und dafür sind wir dann da, um sie in diesem Bereich zu unterstützen.