/// Themen 




Autorin Sabine Doff und die Redakteurin Ninja Hofmann sitzen gemeinsam auf einem roten Sofa vor einem Fenster und blättern durch das Buch "Das Klassentreffen".
Wenn Sabine Doff (links), Professorin an der Universität Bremen, in der GfG zu Gast ist, geht es normalerweise um das Thema Wissenschaftskommunikation. Bei ihrem letzten Besuch aber sprach sie mit GfG-Redakteurin Ninja Hofmann über ein etwas persönlicheres Projekt – ihr Buch „Das Klassentreffen“.

Interview

„Vermittlung so ästhetisch zu denken – das hat mich total gepackt“

23. Juni 2023

Wenn schon ein Klassentreffen ansteht, dann kann man das auch kreativ angehen, so die Überlegung von Sabine Doff. Für ihr 30-jähriges Jahrgangstreffen hat sie erst eine Ausstellung initiiert und später zusammen mit der GfG ein Buch veröffentlicht. Das Motto: „fortKOMMEN – HEIMkehren“. 

Sabine, du hast ein Buch zu deinem 30-jährigen Klassentreffen veröffentlicht, das offenbar einen Nerv trifft.

Ja, ich erhalte viele positive Rückmeldungen zu diesem Buch, und das nicht nur von den Mitgliedern meiner ehemaligen Klasse, für die es ja in erster Linie gedacht war. Sie, aber auch andere Leute lesen „Das Klassentreffen“ und nehmen es offenbar gerne in die Hand.

Wie kommt man dazu, ein Klassentreffen in Buchform festzuhalten?

Nun, dazu muss man wissen, dass bereits die Form unseres Klassentreffens besonders war. Bei der Planung war ich sehr angetan von der Idee, dass man einen Anlass, den man ohnehin wahrnimmt, auch etwas kreativer gestalten kann. Zusammen mit meinen zwei alten Schulfreunden Florian Stöberl und Oliver Besserer haben wir dann überlegt, dass wir das Klassentreffen mit einer Ausstellung im Heimatmuseum unserer Heimatstadt Kempten im Allgäu verbinden.

Cover des Buches "Das Klassentreffen" von der Autorin Sabine Doff

Einer Ausstellung über eure ehemalige Klasse?

Nicht direkt. Als Oberthema für die Ausstellung haben wir „Fortkommen und Heimkehren“ gewählt – genauer gesagt die Frage, wie dieser Prozess von den einzelnen ehemaligen Klassenkamerad:innen erlebt und gestaltet wurde bzw. wird. Und die Antworten dazu, die kommen aus unserer ehemaligen 11.  Klasse – ich habe alle meine ehemaligen Klassenkamerad:innen am Hildegardis-Gymnasium für die Ausstellung interviewt. Ich wollte von ihnen wissen, was das Allgäu als Heimat bedeutet, warum wer geblieben oder von dort fortgekommen ist und warum manche später wieder heimgekehrt sind. Aus den Antworten habe ich wiederkehrende Motive herausgearbeitet, die dann für die Ausstellung zu Themeninseln verdichtet wurden: Erinnerungen – Provinzler/Weltbürger, Landschaft /Mentalität, Wendepunkte, Fremdheit und Fortkommen/Heimkehren. 

Und das Buch ist der Begleitband zu dieser Ausstellung?

Ja und nein. Im Vorfeld dachte ich, das Buch sieht so aus wie die Ausstellung – also organisiert entlang der genannten Themeninseln. Aber dann fragte euer Kollege Dustin Schröder, der maßgeblich für die Gestaltung verantwortlich ist, irgendwann: Sabine, wo kommen denn eigentlich die Interviews vor – würde man das nicht besser verstehen, wenn die Menschen selbst zu Wort kommen?“ – und da dachte ich: Eigentlich hat er recht, die kommen zu kurz. So sind wir dazu gekommen, dass der Hauptteil des Buches aus den Interviews besteht. Um das Ganze aufzulockern, haben Dustin und das Team eine zusätzliche illustrative Ebene entwickelt. Als Dustin mir die Illustrationen das erste Mal gezeigt hat, da wusste ich dann auch, dass dieses Buch so wie von ihm angedacht wirklich funktionieren kann. Die Illustrationen waren für mich erstaunlicherweise so treffend – obwohl die Illustrator:innen bei der GfG die interviewten Personen anders als ich ja gar nicht persönlich kannten. Das bildete für mich den Beweis dafür, dass auch jemand, der den Anlass und die Leute nicht persönlich erlebt hat, die Idee sinnvoll erfassen kann: Dabei hilft die illustrative Ebene enorm, sie öffnet das Thema für die Leser:innen nochmal anders. Und für die Leute, die ich interviewt habe, ist es natürlich auch etwas ganz Besonderes, dass sie und ihre Geschichte illustriert sind. Die sind von dem Ergebnis wirklich geflasht!

Und Menschen, die nicht unmittelbar an eurem Klassentreffen beteiligt waren – was begeistert die an dem Buch?

Schon auch diese ästhetische Komponente und die Art, wie die Inhalte gestalterisch aufbereitet worden – viele hätten es sonst sicher gar nicht erst zur Hand genommen. Und was das Inhaltliche angeht, höre ich immer wieder, gerade aus der Generation unserer Eltern, dass dieses Buch dabei hilft, meine Generation – also die sogenannte „Generation Golf“– besser zu begreifen. 

Das Buch soll auch eine Anleitung sein für Menschen, die künftig Klassentreffen planen. Worin siehst du den größten Mehrwert, wenn die Fragen nach Fortkommen und Heimkehren in den Mittelpunkt gestellt werden?

Meine Erfahrung bei unserem Treffen war, dass sich die Menschen über diese Fragen vielfältiger verbinden können als zum Beispiel über für ein Klassentreffen eher erwartbare Themen wie (Berufs-)Status oder Familienstand – das sind ja Themen, die können schön sein, müssen sie aber nicht. Außerdem habe ich über diese Fragen viele Dinge über unsere Schulzeit und die Familien meiner ehemaligen Mitschüler:innen herausgefunden, die ich vorher nicht wusste. Gerade Familiengeschichten haben ja oft mit Fortkommen und Heimkehren zu tun. Mir hat sich über die Gespräche zu diesen Fragen einfach so vieles erschlossen, was ich während meiner Schulzeit nicht gesehen oder verstanden habe. Das war ein totaler Gewinn.

Was macht das Buch für dich persönlich aus?

Dieses Buch ist für mich ein wirkliches Geschenk, weil ich darüber die beiden Erfahrungen – das Klassentreffen und die Ausstellungsgestaltung – verbinden konnte. Sie sind dadurch keine flüchtigen Erfahrungen mehr, sondern welche, die ich immer wieder zur Hand nehmen kann. Und es hat mir unheimlich viel Freude bereitet, dieses Buch zu erstellen und an der Gestaltung mitzuarbeiten. Die Zusammenarbeit mit eurem Team hat mir vor Augen geführt, dass ich über die Art der Gestaltung Menschen nochmal ganz anders erreichen kann. Wir Wissenschaftler:innen sind ja oft nicht so gut darin, das zu teilen, was wir wissen. Aber auch und besonders in der Wissenschaft lohnt es sich, sich darauf zu besinnen, wie man Inhalte über gute Gestaltung zugänglich macht. Vermittlung so ästhetisch zu denken und darüber nochmal anders Kanäle zu öffnen, das hat mich bei diesem Buchprojekt total gepackt – das ist etwas, das bleibt für mich.


Autorin Sabine Doff und die Redakteurin Ninja Hofmann sitzen gemeinsam auf einem roten Sofa vor einem Fenster und blättern durch das Buch "Das Klassentreffen".

Sabine Doff

Sabine Doff ist Professorin für Fremd­sprachen­didaktik Englisch und stellvertretenden Direktorin des Zentrums für Lehrerinnen-/Lehrerbildung und Bildungs­forschung an der Universität Bremen.

Ninja Hofmann

Ninja Hofmann leitet die Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit der GfG / Gruppe für Gestaltung. An ihrem Job mag sie besonders die guten Gespräche und dass sie immer wieder über den Tellerrand geschoben wird.