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Interview

Im Gespräch: Hanke Homburg

25. Oktober 2015

Hanke Homburg

Hanke gründete 1994 während seines Studiums mit fünf Partnern die GfG. Dass sie den gemeinsamen Teamspirit beibehalten und seit mehr als 20 Jahren auf immer größere Projekte übertragen konnten, ist für ihn noch immer etwas Besonders. Hankes Schwerpunkt sind disziplinübergreifende Projekte und Strategien in den Bereichen Marken- und Organisationskommunikation.


Hanke, was ist eigentlich ein Gestalter?

Ein Gestalter ist ein Schöpfer von Dingen, Bildern oder Zusammenhängen. Ein Gestalter ist ein Analytiker. Ein Gestalter ist ein Ideenfinder und Ideengeber. Ein guter Gestalter hat einen sehr offenen Geist. Er ist jemand, der sich stark inspirieren lässt, der sehr viel aufnimmt von dem, was um ihn herum ist und geschieht. Er ist gleichermaßen ein Katalysator und ein Formgeber. Gestalter haben eine gesellschaftliche Verantwortung dadurch, dass sie Probleme für Menschen lösen – Raum im weitesten Sinne anfüllen und gestalten – mit Kommunikation, Bildern und Dingen.

Welche Art von Verantwortung meinst du?

Es gibt unterschiedliche Ebenen der Verantwortung. Zum einen ist das die individuelle Verantwortung gegenüber dem Kunden und denen, die das Gestaltete nutzen. Wenn ich über Kommunikationswege – Print, Web oder PR – Inhalte vermittle und Positionen verstärke, muss ich mich selber fragen: Ist das, was ich erzähle, relevant oder ist es völlig irreführend? Wenn ich Produkte verkaufe: Glaube ich selber an die Produkte? Oder mache ich es nur, weil ich Geld dafür kriege?

Diese Form von Verantwortung ist meiner Meinung nach auch in gesellschaftlicher Hinsicht sehr umfangreich. Wir entwickeln Marken- und Unternehmensleitbilder für Kunden. Wir prägen ihre Identität. Das sind Dinge, mit denen sich Menschen – zugespitzt gesagt – identifizieren und möglichst lange gut leben müssen!

Thomas Brand Schuhe / 1994: Den Schuhladen von Thomas Brand haben wir – von der ersten Zeichnung, über das Entkernen des ganzen Ladens, das Bauen aller Möbel bis hin zur Fotokampagne zur Wiedereröffnung – also von A bis Z – umgestaltet. Es war eines unserer ersten Projekte und wir hatten noch wenig Erfahrung. Thomas Brand hat uns ein sehr großes Vertrauen entgegengebracht. Wir haben alles darangesetzt, das zu erfüllen.

Zurück an den Anfang: Seit wann gestaltest du selbst?

Ich glaube, ich kann gar nicht nicht gestalten. Und das war auch schon ganz früh so – ob das früher nun Gestaltung hieß oder Spielen! Ich habe von klein an angefangen, Dinge um mich herum zu bauen und nichts hat mich mehr gekickt als die nächste Baumhöhle, das nächste Bild, oder – da war ich fünf – der Werkzeugkeller meines Vaters, in dem ich viele Tage verbracht habe, um irgendetwas zusammenzuschrauben. Meine ersten Bilder habe ich mit 13, 14 verkauft. Cool, habe ich gedacht, was für eine Anerkennung für das, was du selbst erschaffen hast!

Das bewusste Gestalten fing aber erst in dem Moment an, als der Begriff der Verantwortlichkeit hinzukam. Da liegt für mich auch die Grenze zur Kunst. Kunst ist eine ganz individuelle Äußerung. Ich muss sie nicht zwingend in Relation zu anderen Menschen setzen oder einen Zweck damit erfüllen. Das ist beim Design etwas ganz anderes. Wenn ich gestalte, übernehme ich irgendeine Form von Verantwortung. Im Grunde entstand mein Bewusstsein für Gestaltung mit etwa zwanzig während meiner Tischlerlehre. Da habe ich Möbel entworfen und gebaut, die mussten funktionieren.

Und dann hast du Kommunikationsdesign in Bremen studiert ...

Ich konnte oder wollte mich einfach nie entscheiden – Grafikdesign, Fotografie, Innenarchitektur ... die perfekte Symbiose gab es eigentlich nie. Für mich war die Lösung, ein Umfeld zu entwickeln, in dem ich vieles davon machen kann. Das hat mich sicherlich auch dazu gebracht, diese Konstellation mit voranzutreiben, in der wir uns heute be- finden.

Das Problem an diesem Generalistischen ist, dass du handwerklich, fachlich in keiner dieser Disziplinen ein Spezialist bist. Ich bin für mich an den Punkt gekommen zu sagen: Generalist zu sein, ist auch eine Form von Spezialisierung. Ich würde sagen, ich bin ein Gestalter, Generalist und „professioneller Bastler“.

Kunsthalle Bremen / 2000: Das Tolle an diesem Orientierungssystem war, dass unsere Arbeit auf unvorhergesehene Weise so gut ankam! Wir hatten in der ganzen Stadt 300 Schilder an Laternenpfählen angebracht. Am Ende waren nur noch 150 über. Die Leute hatten sie teilweise aus vier Metern Höhe abgeschraubt! Noch Jahre später konnte man die blauen Pferde in Vor- gärten wiederfinden.

Welche Themen begeistern dich?

Ich kann das gar nicht unbedingt an Themen festmachen. Ich kann nicht sagen, dass ich generell auf Kulturthemen mehr anspringe als auf Industriethemen. Im Prinzip geht es für mich darum: Was gibt es denn da eigentlich zu gestalten? Ich mag sehr komplexe und crossmediale Projekte, bei denen Bestandteile in einem Kommunikationskontext ineinandergreifen.

Begeisterung kommt bei mir beim experimentellen Gestalten: Welche Idee hat richtig Kraft? Die Idee kann auf den ersten Blick durchaus etwas abwegig sein. Ich habe eher den Hang, etwas zu wagen, als mit einem Standard auf Nummer sicher zu gehen. Ich bringe sicherlich eine große Begeisterungsfähigkeit mit, wenn ich etwas will. Dadurch bin ich zum Teil auch zu schnell und hinterfrage nicht genau genug, ob die Kraft, die ich da reinbringe, durch die Ressourcen getragen wird. Zu viel Begeisterung kann auch gefährlich sein.

In welchem Umfeld sprudeln deine Ideen am besten?

Dafür gibt es zumindest für mich mehr als eine Antwort. Ich würde es erst einmal andersherum beantworten: Wann passiert bei mir nichts im Kopf? Ich habe große Schwierigkeiten, wenn sich Sachen permanent wiederholen. Das macht mich mürbe. Oder Sachen, die mich nicht interessieren. Ich muss einen eigenen Willen für die Sache entwickeln. Und das funktioniert besser mit Dingen, Menschen oder Fragestellungen, die mich interessieren.

Ansonsten geht eigentlich alles: Das kann ein Spazier-gang sein oder abends beim Glas Wein. Wenn ich mit Leuten zusammensitze, kann ich mich wunderbar gestalterisch in Rage reden. Was ich immer dabei mache, ist skribbeln. Ich habe immer einen Stift in der Hand. Ich male Kommunikation. Was nach wie vor für mich wichtig ist: mich immer wieder neu inspirieren zu lassen.

InBev / 2001: House ist meine Musik. Gute VJ Tools gab es zu dieser Zeit noch nicht in jedem Club. Die Idee, so etwas für Beck’s in einem eigenen Stil zu entwickeln, war ein Riesenspaß – und eine noch viel größere Herausforderung.

Und wann arbeitest du gut mit Kunden oder Mitarbeitern zusammen?

Für mich sind zwei Begriffe ganz relevant: Verantwortung und Begeisterung. Das kann ich auch auf das Gegenüber übertragen. Ich muss das Gefühl haben, dass mein Gegen- über auch eine Begeisterung und einen Gestaltungswillen mitbringt. Ich habe häufig mit Kunden ein freundschaftliches Verhältnis. Wir begeistern uns dann gemeinsam für die Sache. Ich muss immer wieder spüren, ob die Bereitschaft da ist, durch dick und dünn zu gehen. Das ist für mich auch eine Form von Anerkennung.

Das lässt sich genauso auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übertragen. Klar ist die fachliche Qualifikation eine Grundvoraussetzung. Aber ganz wichtig ist auch diese Begeisterungsfähigkeit. Wenn da jemand ist, der für eine Sache total brennt, habe ich überhaupt kein Problem damit, auch wenn ich anderer Meinung bin.

Was heißt Qualität für dich?

Mein Qualitätsanspruch hängt auch wieder mit Verantwortung zusammen. Das ist bei dieser Komplexität für einen alleine nicht zu erreichen. Ich selber kann nicht programmieren. Aber ich kann mit einem Team zusammen eine sehr gute Website verantworten. Dazu gehört aber auch, dass jeder dafür sorgt, dass das Ergebnis unseren Qualitätsstandards entspricht. Und das zieht sich bei uns durch alle Bereiche. Ohne Qualität geht es überhaupt nicht!

Es gibt für mich mehrere Qualitätsdimensionen. Zuerst, dass die Idee die gewünschte Wirkung entfalten kann. Funktionalität und Ausführung müssen einem hohen Anspruch genügen. Der gesamte Prozess inklusive des Projektmanagements muss gut strukturiert und durchgeführt werden – auch das ist eine Qualität. Dafür muss ich die Verantwortung übernehmen. Zudem haben wir natürlich den Anspruch, dass die Ergebnisse nachhaltig und erfolg- reich sind und die Ziele erreicht werden.

Quadriennale Düsseldorf / 2014: Für das Kunstfestival haben wir ein crossmediales Kommunikationskonzept entwickelt, das alle gestalterischen und kommunikativen Möglichkeiten ausnutzt. Jede Aktion hängt inhaltlich mit jeder anderen in jedem Kanal zusammen. Der Kern unseres Konzeptes war, Künstler und Besucher an vielen Aktionen zu beteiligen.

Was macht dich denn eigentlich so richtig zufrieden?

Gemeinsam mittendrin im Gestaltungsprozess zu sein, das kann richtig viel Laune machen. Das Gestalten an sich – manchmal brauche ich auch keinen Stift dafür. Ich kann mich einfach irgendwo hinsetzen und im Kopf gestalten. Das kann mich total zufrieden machen. Ja, mich freut ein tolles Ergebnis. Aber wenn das Ergebnis da ist, ist ja alles schon vorbei! Ich lebe sehr im Prozesshaften. Und der Moment der Begeisterung für eine Sache, da kann ich total aufwachen!

Wenn du dir ein Lieblingsprojekt wünschen dürftest, was wäre das?

Ich habe zusammen mit meiner Frau einen Bunker zum eigenen Wohnhaus umgebaut. Da hatten und haben wir natürlich viel Gestaltungsfreiheit, das ist schon cool. Bei dem Kunstfestival „Quadriennale Düsseldorf“ habe ich Ideen für Kunst im öffentlichen Raum entwickelt und zusammen mit Studenten der Kunstakademie Düsseldorf realisiert, auch cool. Vielleicht beschreibe ich es am besten so: ein Thema, das mich begeistert, eine vielschichtige gestalterische Aufgabe mit viel Gestaltungsspielraum, eine überzeugende Idee mit viel Energie, crossmedial, ein gutes Team, einen begeisterungsfähigen Kunden und genügend Budget.

Bunker / 2013: An diesem Projekt hat mich gereizt, wie bei vielen anderen Projekten auch, dass die Lösung nicht vorgezeichnet ist. Das Ganze ist ein Prozess, und erst im Prozess erlernst du Dinge, die dann in deine Gestaltung einfließen. So ein Betonklotz ist ein großes weißes Blatt. Du musst ihn mit deinen Ideen füllen. Alle folgenden Fotos: Christian Burmester.
Fotos: Christian Burmester