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Interview

Sarah Yilma: „Endlich hat das Ding einen Namen und ich weiß, was ich bin“

05. April 2024

Ein paar Frösche habe sie schon küssen müssen, bevor es beruflich Klick gemacht hat. Ein Gespräch mit unserer neuen Kollegin Sarah über Umwege, (Alb-)Traumjobs und Guilty Pleasures.


Sarah, du hast eine Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten gemacht, bist staatlich geprüfte Betriebswirtin und arbeitest jetzt bei uns als Content Creatorin – sieht aus, als hättest du schon ein paar Kurven genommen?

Ja, das kann man so sagen. Die Ausbildung habe ich direkt nach der Schule angefangen, weil ich damals nicht genau wusste, was ich machen will. Social Media hatte ich noch gar nicht als möglichen Beruf für mich erkannt. Ich fand den Job der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten auch nicht uninteressant. Allerdings hat mich in der Ausbildung schnell frustriert, dass ich trotz der großen Verantwortung, die ich oft hatte, nicht ernst genommen wurde und wie eine einfache Sekretärin behandelt wurde. Ich wollte die Ausbildung zwar nicht abbrechen, aber auch nicht unter diesen Bedingungen verharren. So bin ich darauf gekommen, parallel meine Betriebswirtin zu machen. Das war eine krasse Doppelbelastung, hat sich aber gelohnt.

Und trotzdem hat es dich danach nicht in einen klassischen betriebswirtschaftlichen Job verschlagen.

Bei meiner Betriebswirtin hatte ich einen Schwerpunkt auf Human Resources gelegt und hätte im Anschluss auch gerne einen Job in diesem Bereich angefangen. Aber das war gar nicht so einfach, da einen Fuß in die Tür zu bekommen. Ich habe dann eine Stelle an der TU Kaiserslautern angenommen und Master-Studierende in Sachen Studien- und Prüfungsrecht beraten. So konnte ich zumindest mein Rechts-Knowhow und meine Managementskills anwenden.

Office Managerin Denise Gielians (l.) freut sich über den Neuzugang: Sarah Yilma (30) verstärkt die GfG seit diesem Jahr als Content Creatorin für gesellschaftlich relevante Themen.

Ich habe mir schnell ein paar zusätzliche Aufgaben rausgeklaubt, alle im Digitalen. Meine Kolleg:innen wussten zu schätzen, dass ich mich dafür begeistern konnte und immer wieder mit neuen Ideen um die Ecke kam, sei es für die Website oder fürs Social-Media-Marketing. Gleichzeitig war ich in meiner Freizeit viel in Sozialen Medien unterwegs, vor allem auf Instagram, habe auch viel gezeichnet und meine Arbeiten dort veröffentlicht. Und obwohl ich keine professionelle Designerin bin, kamen die Sachen so gut an, dass ich darüber sogar Aufträge generiert habe. Irgendwann hat’s dann bei mir Klick gemacht und ich habe gemerkt, dass all die Dinge, die ich nebenbei mache, auch ein richtiger Job sein könnten.

„Ich habe gemerkt, dass die Dinge, die ich nebenbei mache, auch ein richtiger Job sein könnten“

Mit meinem Umzug nach Bremen 2021 habe ich meinen letzten kaufmännischen Job an den Nagel gehängt und war erst ein paar Monate als Freelancerin und dann in einer Agentur als Social-Media-Managerin tätig. Mit dem Wechsel zur GfG habe ich jetzt endgültig das Gefühl, dass ich alle meine Leidenschaften und Skills vereinen kann. Endlich hat das Ding einen Namen und ich weiß, was ich bin: Content Creatorin.

Content Creatorin ist auch bei uns noch eine vergleichsweise junge Jobbezeichnung. Erzähl mal, wie sieht deine Position bei der GfG aus?

Ich bin dafür zuständig, Content-Formate zu entwickeln für alle Bereiche im Online- und Social-Media-Marketing. Das heißt, ich gucke, welche Online-Medien für die Zielgruppen unserer Kund:innen relevant sind und konzipiere und gestalte dazu passende Inhalte und Kampagnen und werte diese aus. Was diese Aufgabe mit sich bringt, ist dass ich immer auf dem Laufenden sein muss, weil sich die Formate, speziell im Social-Media-Bereich, so schnell ändern. Was letzten Monat noch richtig war, ist vielleicht heute nicht mehr aktuell. Dadurch wird’s nie langweilig.

Legt das Handy selten aus der Hand: Die Online-Welt ist für Sarah Heimat und Beruf zugleich.

Dafür muss man schon selbst ein Social-Media-Junkie sein, oder?

Ja, das ist eine Berufskrankheit und ich bin tatsächlich meist 24/7 online und auf vielen Plattformen unterwegs – versuche in verschiedene Formate reinzugehen, alles zu scannen und aufzusaugen, Trends wahrzunehmen. Ob Instagram, TikTok, LinkedIn oder auch immer noch Facebook. Selbst bei Reddit bin ich aktiv und moderiere ein Sub, von dem eigentlich niemand weiß – meine Social Media Guilty Pleasure sozusagen.

Bei welchen Inhalten oder Formaten klebst du gerade am liebsten am Screen?

Im Reddit Bremen Sub, da gibt’s oft gute lokale Themen und Tipps. Als zum Beispiel Werder Bremen zum 125. Jubiläum ein großes Feuerwerk zündete und ich zuhause saß und einen Riesenschreck bekam, weil ich nicht wusste, warum es draußen so unfassbar laut ist, da war Reddit meine erste Anlaufstelle. Und tatsächlich war dort direkt jemand online, der wusste, was los war. So was ist super. Ich schätze die Community dort, es findet sich immer jemand, wenn man Hilfe braucht. Ansonsten bin ich viel auf Instagram unterwegs, so klassisch Doomscrolling und Reels suchten. Aber auch im informativen Bereich, also für Tutorials oder Trendanalysen.

Als wir dich kennengelernt haben, hast du uns von den verschiedenen Herzen verraten, die in deiner Brust schlagen – das hat uns direkt abgeholt. Erzähl mal, womit schlägst du dir sonst noch die Tage und Nächte um die Ohren?

Also da ist wie gesagt auch noch die Designerin in mir. Ich zeichne, illustriere und gestalte – am  liebsten Dinge, die mich inspirieren und beschäftigen. Es war zunächst gar keine bewusste Entscheidung, sondern es kam einfach so aus mir raus, dass ich meist FLINTA*-Personen und People of Color zeichne. Gerade die starken Schwarzen Frauen in meiner Familie sind für mich eine große Inspiration. Und mir ist es wichtig, dass unsere Medien und Illustrationen genauso vielfältig sind wie unsere Gesellschaft. In meiner Kindheit und Jugend haben mir Identifikationsfiguren und Vorbilder gefehlt.

„Mir ist wichtig, dass unsere Medien genauso vielfältig sind wie unsere Gesellschaft.“

Ein Projekt, für das ich als Designerin aktiv war und das genau in diese Richtung geht, ist die Schwarze Kinderbibliothek. Dort gibt es Kinderliteratur, die diverse Bilderwelten zeigt, über Rassismus aufklärt und schöne Geschichten erzählt.

Die Schwarze Kinderbibliothek ist die bundesweit erste Bibliothek mit Büchern, in denen Schwarze Held:innen im Zentrum stehen.
Sarah hat die Initiative als Designerin unterstützt, unter anderem mit Illustrationen und bei der Logoentwicklung.

Damit wären wir bei einem weiteren Herz, das in deiner Brust schlägt – dem der Aktivistin.

Das ist auch etwas, das durch meine mein Dauer-Online-Sein kam und durch meine Kunst, weil ich eben Schwarze Themen und Positionen beleuchte. Meine eigene Politisierung war im Prinzip im Jahr 2020, als George Floyd ermordet wurde und die Black-Lives-Matter-Proteste groß wurden. Das hat bei mir etwas verändert und ganz viel aufgemacht. Das hat auch meine Kunst verändert. Und meine Online-Präsenz als Künstlerin, die solche Themen aufgreift, hat dazu geführt, dass ich mich mehr mit Menschen connecte, die aktivistisch tätig sind, die sich politisch einsetzen, die versuchen, über gesellschaftlich relevante Themen aufzuklären. Und irgendwann wollte ich nicht mehr nur zugucken, sondern selbst mit anpacken.

„Wenn ich eh schon die ganze Zeit online bin, kann ich das auch für etwas Gutes einsetzen.“

Ich habe mir dann gedacht, wenn ich eh schon die ganze Zeit online bin, kann ich das auch für etwas Gutes einsetzen. Zumal viele Initiativen auf ein gutes Social Media Marketing angewiesen sind. Wie das Bremer Bündnis „Laut gegen Rechts“, für das ich die Social-Media-Accounts und das Community Management betreue. Auf Instagram haben wir es geschafft, aus dem Nichts heraus auf inzwischen mehr als 11.000 Follower:innen zu kommen. Ich habe natürlich auch die Demos mitorganisiert und handfestere Jobs vor Ort übernommen, aber es ist schon so, dass mein Ding einfach Social Media und das Digitale ist. Da versuche ich den Blick drauf zu behalten.

Zehntausende Menschen kamen zu ersten "Laut-gegen-Rechts"-Demo am 21. Januar 2024 in Bremen. Foto: Lars Kaempf.
Sarah kümmert sich um die Social-Media-Arbeit für das Bündnis. Foto: Lars Kaempf.
Die Volunteers von „Brand New Bundestag“, zu denen Sarah gehört, treffen sich meist digital. Ihr gemeinsames Ziel: mehr Diversität im Bundestag und ein besserer Austausch zwischen Zivilgesellschaft und institutionalisierter Politik.

Daneben bin ich auch noch Volunteer bei „Brand New Bundestag“. Das ist eine überparteiliche Organisation, die Brücken zwischen Politik und Zivilgesellschaft baut und sich für progressive Themen einsetzt. Wir sind ein junges Team aus ganz Europa, und obwohl wir so verstreut und alle unterschiedlich sind, treffen wir uns jeden Montagabend digital und packen gemeinsam Dinge an – überlegen zum Beispiel, wie wir einen Tiktok-Trend auf unsere politischen Themen umdenken können. Es ist toll, dass ich dort dann auch die ganzen Skills aus meinem Hauptjob einbringen kann.

So viel Engagement kostet aber auch Kraft.

Vor allem ist es gar nicht so einfach alles unter einen Hut zu bringen, gerade wenn es in mehreren Projekten gleichzeitig brennt. Aber gleichzeitig schöpfe ich auch ganz viel Kraft daraus, dass ich vielleicht etwas dazu beitragen kann, dass mehr Menschen auf die Straße gehen, mehr Menschen sich bewegen, gerade in Zeiten der Korrektiv-Recherche und all dessen, was uns gerade entgegenfliegt.

Da passt es ziemlich gut, dass du bei der GfG für den Content zu gesellschaftlich relevanten Themen verantwortlich bist.

Ja, als ich das Bewerbungsgespräch hatte, da ist mir auch richtig ein Licht aufgegangen: Ach, das geht ja auch ohne dass ich mich verstellen muss. Ich kann hier über Themen reden, die mir wichtig sind und habe einen Arbeitgeber, der meine Werte vertritt.

„Es gibt schon genug Content Creator:innen, die über alle möglichen anderen Themen reden.“

Ich finde es auch wichtig, dass mehr Menschen Content kreieren, der gesellschaftlich relevant ist. Es gibt schon genug Content Creator:innen, die über alle möglichen andern Themen reden. Und wir merken ja gerade, dass es viele von uns braucht, um nicht denen die Räume zu überlassen, die hetzen und spalten wollen. Und dafür möchte ich mich an allen Punkten in meinem Leben einsetzen. Deswegen ist die Stelle wie für mich gemacht.

Zum Abschalten kannst du dich dann auch ganz gut für Popkultur und Entertainment erwärmen. Verrätst du uns zum Schluss noch, mit welchen Inhalten du die Welt um dich herum mal vergessen kannst?

Wie viele andere auch habe ich Reality TV als Guilty Pleasure. Die Netflix-Datingshow „Love is blind“ zum Beispiel. Da gefällt mir das Zwischenmenschliche und das Reinglotzen ins Wohnzimmer anderer. Einfach mal nur beobachten, lachen oder auch mal weinen dürfen.

Das Gespräch führte Ninja Hofmann.

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