Europäisches Hansemuseum Lübeck

London-Inszenierung: ein multimediales und sinnliches Erlebnis

So mächtig war die Hanse im 15. Jahrhundert, dass sie in der Handelsmetropole London ihr eigenes Handelskontor hatte: den Stalhof. In der neuesten Inszenierung im Europäischen Hansemuseum Lübeck ließen wir diesen Ort wieder aufleben.

Dank moderner Museumstechnik und einer detailreichen Inszenierung empfängt der neu gestaltete Raum mit originalgetreuer Atmosphäre: Ein nebliger Märzmorgen direkt am Ufer der Themse um 1478. Der Stalhof der Kaufleute erwacht langsam zum Leben.

Das Leben der Hansekaufleute hautnah erleben

Von der reich verzierten Empfangshalle des Kontors gelangen die Besucher:innen auf den Hof des Geländes. Vom Anlegeplatz aus können sie den Blick über den Fluss und die kleinen vorbeifahrenden Boote schweifen lassen und bis zur London Bridge gucken. Zwischen historisch anmutenden Wohn- und Geschäftshäusern können sie gestapelte Waren und Umzugskisten durchstöbern und so den Alltag der Hansekaufleute nachempfinden, oder es sich in der Rheinischen Weinstube gemütlich machen und ein Würfelspiel testen. Die Museumsgäste werden an verschiedenen Stationen zum Erkunden eingeladen. Ihr Wissen zur Hanse in England können sie sich spielerisch aneignen.

Ende des 15. Jahrhunderts kippte der Frieden unter den Kaufleuten im Stalhof. Konflikte untereinander, vor allem mit den Kölnern, prägten Handel und Leben in England. Über verschiedene Hörstationen können die Besucher:innen den Streitereien und Gesprächen der Kaufleute in Hinterzimmern und an Wirtshaustischen lauschen. Wer ist der Kölner Rinck und warum zieht er an diesem Morgen schon zum zweiten Mal in ein Zimmer im Stalhof ein? Und warum wird man das Gefühl nicht los, dass davon niemand so richtig begeistert ist?

Eine Auszeit an der Themse nehmen

„Gleichzeitig bietet die Inszenierung einen Ort zum Entspannen. Die Besucher:innen reisen in der Dauerausstellung durch 800 Jahre Hansegeschichte. Bevor sie im Raum „London“ ankommen, haben sie schon viel gesehen und erlebt: Dunkelheit, den Geruch von Stoffen sowie ernste Themen wie die Pest. Mit der neuen Inszenierung haben wir bewusst einen Bruch innerhalb des Rundgangs gesetzt, mit Frische und Helligkeit im Raum. So haben die Besucher:innen zum Beispiel die Möglichkeit, eine Auszeit an der Themse zu nehmen“, erklärt Marthe Trottnow, Konzepterin und Designerin.

Die 4 Meter hohe und 11 Meter breite Projektion der Themse schafft einen Ruhepol in der Ausstellung. Die Herausforderung, das Bewegtbild über Eck an zwei Wänden perspektivisch richtig abzubilden, wurde über drei Projektoren gelöst. Sie erwecken das Hafenbecken auf der Leinwand zum Leben. Die Konzeption und Umsetzung der Szene wurde in Abstimmung mit dem Museumsteam über das Echtzeit-Visualisierungstool „Twinmotion“ umgesetzt.

Historische Recherche für originalgetreue Kulisse

„Für jedes Material, das wir verwendet haben, gibt es eine historische Vorlage – für jede Scheibe, jeden Fenstersitz, jedes Holz, jedes Möbelstück und auch für jede Szenerie. Für die Einbindung der Requisiten haben wir mit Antiquar:innen und Auktionshäusern gesprochen und dadurch viel über das Mobiliar aus der Zeit gelernt. Die enge Zusammenarbeit war sehr spannend und auch wichtig für die Überprüfung unserer Recherche und Entwürfe“, erzählt Maike Arnold, Innenarchitektin und Szenografin.

„Teilweise gibt es Bildquellen vom richtigen Ort, aber aus der falschen Zeit. Oder es gibt Bildquellen aus der richtigen Zeit, aber vom falschen Ort. Das heißt, mit jedem kleinen Gegenstand wurde eine Dominokette an Fragen ausgelöst. Das war sehr abstimmungsintensiv“, erklärt Marthe und ergänzt: „Fake News waren auch schon im 15. Jahrhundert ein Thema. Dementsprechend bedurfte es einer ständigen Quellenkritik: Wer hat die Quellen wann hergestellt und mit welcher Motivation? Ein gutes Beispiel sind Koggen als identitätsstiftende Merkmale von Hansestädten. Bei der Recherche kam heraus, dass die großen Schiffe nicht unter der London Bridge durchfahren und somit auch nicht am Hafen anlegen konnten. Wir hatten aber Quellen vorliegen, bei denen diese großen Schiffe am Kai zu sehen waren. Auch wir waren von diesen Bildern geprägt und wollten zunächst solch eine Inszenierung umsetzen. Bei der Überprüfung der Quellen mussten wir diese Idee dann aber verwerfen.“

Informationsvermittlung über emotionales Erlebnis und moderne Grafik

Die Vermittlung der Ausstellungsinhalte findet im Europäischen Hansemuseum über einen Zweiklang statt: zum einen über historische Kulissen, die sehr detailgenau umgesetzt sind und zum anderen über Grafiktafeln in moderner Optik, die ergänzende Informationen zu den Erlebnissen bereitstellen. Durch die Integration beider Stilistiken im Raum „London“ fügt sich dieser in das Gesamtkonzept der Dauerausstellung ein.

Viersprachiger Zugang dank RFID-Technik

Wie in der übrigen Ausstellung des Europäischen Hansemuseums wird RFID-Technik genutzt. Mit einem speziellen Ticket lassen sich Hör- und Medienstationen aktivieren und die Informationen in verschiedenen Sprachen ausspielen, auf Deutsch, Englisch, Russisch und Schwedisch.

 

Die Inszenierung wurde in Zusammenarbeit mit dem Museumsteam des Europäischen Hansemuseums Lübeck (EHM) erschaffen. Gebaut wurde sie vom Art Department des Studio Babelsberg, von dem bereits ein Großteil der bestehenden Rauminszenierungen des Museums stammt.